Wir beschweren uns – aber wo? Meldesysteme nach LkSG und HinSchG

1. Hintergrund


Das Thema ESG (Environment, Social, Governance) wird gesellschaftlich immer wichtiger. Darauf reagiert auch der Gesetzgeber, weshalb im Jahr 2023 zwei (mit immensem bürokratischem Aufwand verbundene) Gesetze zur Stärkung von Nachhaltigkeit und Compliance in Kraft treten.

Bereits seit dem 01.01.2023 gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz Lieferkettengesetz oder LkSG). Es soll für Transparenz und nachhaltige, faire Arbeitsbedingungen sorgen, indem große Unternehmen Verantwortung für die Menschenrechte und Umwelt nicht nur im eigenen Geschäftsbereich, sondern auch in ihrer Lieferkette übernehmen – d. h. auch außerhalb Deutschlands. Teil dieser Verantwortung ist ein Beschwerdesystem, bei dem eigene Mitarbeiterinnen, Lieferantinnen und deren Mitarbeiterinnen Verstöße gegen die Vorgaben des LkSG melden können, so z. B. bei unsicheren Arbeitsbedingungen.

Ebenfalls 2023, jedoch voraussichtlich erst im Mai oder Juni, tritt das Hinweisgeberschutzgesetz (kurz HinSchG) in Kraft. Hierdurch sollen sog. Whistleblowerinnen, die auf bestimmte Missstände in Unternehmen und Behörden aufmerksam machen, geschützt werden. Dafür müssen alle verpflichteten Stellen Meldestellen und -kanäle einrichten, über die Whistleblowerinnen Hinweise abgeben können, z. B. zu Korruptionsfällen.

Beide Gesetze erfordern es also, eine zuständige Stelle und (technische) Möglichkeiten zur Abgabe von bestimmten Meldungen einzurichten. Dieser Beitrag soll sich dem Thema widmen, ob man die Anforderungen des LkSG und des HinSchG gemeinsam umsetzen kann, oder ob zwei separate Meldesysteme eingerichtet werden müssen. Dazu sollen einige ausgewählte Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Regime analysiert werden.

2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

2.1. Verpflichtete Stellen

Die beiden Gesetze unterscheiden sich bereits bei der Größenordnung der Unternehmen, die betroffen sind. Während das LkSG nur vergleichsweise große Unternehmen trifft (aktuell mit 3.000 Mitarbeiterinnen, ab 2024 mit 1.000 Mitarbeiterinnen), sind nach dem HinSchG bereits deutlich kleinere Unternehmen verpflichtet (bei Inkrafttreten mit 250 Mitarbeiterinnen, ab Dezember 2023 mit 50 Mitarbeiterinnen). Aber Achtung: Die Mitarbeiterzahlen werden unterschiedlich berechnet. Da beim LkSG die Mitarbeiterinnen des Konzerns zusammengezählt werden, ist dieser Schwellenwert ggf. schneller erreicht als gedacht. Beim HinSchG kommt es jedoch auf die einzelne Rechtseinheit an – dann muss aber auch jedes Unternehmen im Konzern, das diese Grenze überschreitet, eine Meldestelle einrichten.

2.2. Sachlicher Anwendungsbereich

Auch hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs ergeben sich Unterschiede. Beide Gesetze sehen einen abgeschlossenen Katalog an zulässigen Themenbereichen vor, zu denen Meldungen gemacht werden können. Diese Kataloge überschneiden sich nur teilweise (z.B. beim Thema Mindestlohn). Da die Sachbearbeiterin aber ohnehin überprüfen muss, ob das von der Melderin angegebene Rechtsgebiet zutrifft und ob es in den sachlichen Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes fällt, steht dies einer gemeinsamen Meldestelle nicht entgegen.

2.3. Meldende Personen

Beide Gesetze sprechen als Whistleblowerin bzw. Beschwerdeführerin nicht jedermann an, sondern nur diejenigen, die im beruflichen Kontext Informationen von Verstößen gegen die betroffenen Rechtsnormen erfahren.

Während das Beschwerdesystem nach LkSG jedoch auch außerhalb des Unternehmens zugänglich sein muss – insbesondere für die Mitarbeiterinnen in der Lieferkette –, reicht es für das Hinweisgebersystem aus, wenn der Zugang nur intern ermöglicht wird, z.B. über das Intranet. Es ist jedoch empfehlenswert, auch hier das Meldesystem für Lieferantinnen zu öffnen – da diese sonst gezwungen wären, extern bei einer Behörde zu melden.

2.4. Personal

In beiden Fällen müssen die Sachbearbeiterinnen, die mit den Hinweisen befasst sind, unabhängig agieren können. Andere Aufgaben dürfen nicht zu Interessenskonflikten führen. D.h. sie dürfen im Fall des LkSG insbesondere nicht Teil des Einkaufs sein, da dort originär Probleme mit der Lieferkette angesiedelt sind. Besser ist es, die Meldestelle bei der Compliance-Abteilung anzusiedeln. Besteht eine solche nicht, bietet sich z.B. die Datenschutzbeauftrage als Zuständige an, da sie bereits eine ähnlich unabhängige Stellung im Unternehmen einnimmt. Zudem müssen die Mitarbeiterinnen über die nötige Fachkunde zur Bearbeitung von Hinweisen bzw. Beschwerden verfügen, also entsprechend geschult werden.

2.5. Verfahrensablauf

Bei beiden Gesetzen muss die meldende Person nach einer gewissen Zeit eine Eingangsbestätigung erhalten. Sofern dies nicht aufgrund einer anonymen Meldung ausgeschlossen ist, muss der Kontakt mit ihr aufrechterhalten werden, während der Sachverhalt geprüft wird. Beim HinSchG ist zudem zwingend nach drei Monaten eine Mitteilung über getroffene Folgemaßnahmen erforderlich.

In beiden Meldeverfahren ist die Vertraulichkeit ein zentraler Leitsatz. Das HinSchG bezweckt den Schutz von Hinweisgeberinnen – und das vor allem auch durch den Schutz ihrer Identität. Deshalb sind in Deutschland sogar anonyme Meldungen zulässig. Doch auch nach dem LkSG sollen die Beschwerdeführerinnen vor Benachteiligungen geschützt werden. Während anonyme Meldungen nach LkSG nicht zwingend vorgesehen sind, empfiehlt sich deshalb auch hier die Möglichkeit der Anonymität.Nach LkSG soll eine Verfahrensordnung veröffentlicht werden, dies ist beim HinSchG dagegen nicht erforderlich. Nichtsdestotrotz muss adäquat über das Verfahren informiert werden, ebenso ist eine zumindest interne Verfahrensanweisung sinnvoll, um den geordneten Ablauf der Hinweisbearbeitung zu gewähren.

3. Fazit


Wenn ein Unternehmen sowohl nach LkSG als auch nach HinSchG verpflichtet ist, ergibt eine gemeinsame Umsetzung der Beschwerdesysteme Sinn. So wird nicht nur der organisatorische und technische Aufwand der verantwortlichen Stelle geringer gehalten, sondern auch bei Whistleblowerinnen und Beschwerdeführerinnen Verwirrung und Unübersichtlichkeit vermieden. Um die Anforderungen beider Gesetze zu erfüllen, sollte man sich bei der Umsetzung dafür jeweils an den strengeren Vorgaben orientieren. Da jedoch verschiedene sachliche Anwendungsbereiche und eine unterschiedliche Bearbeitung der Meldungen vorgesehen sind, müssen getrennte Verfahrensabläufe organisiert werden. Auch für kleinere Unternehmen kann es sinnvoll sein, die Hinweisgebermeldekanäle für Beschwerden nach LkSG zu öffnen. So können sie nicht nur Probleme frühzeitig erkennen, sondern auch gegenüber den eigenen (potentiell nach LkSG verpflichteten) Kunden signalisieren, dass sie menschenrechts- und umweltbezogene Aspekte ernst nehmen. Dabei müssen sie jedoch nicht alle Voraussetzungen des LkSG erfüllen, sondern können sich nach dem HinSchG richten.

Autorin: Tanja Linebach